Die kollegiale Fallberatung ist ein überaus wertvolles Instrument für Führungskräfte, das weit über die reine Problemlösung hinausgeht. Sie bietet nicht nur Unterstützung bei der Bewältigung spezifischer Herausforderungen, sondern fördert auch die persönliche und berufliche Entwicklung der Führungskräfte sowie die Stärkung der Teamdynamik. Durch strukturierte, kollegiale Gespräche können Beteiligte von den Erfahrungen und Perspektiven ihrer KollegInnen profitieren.
Dieser Blogartikel widmet sich der kollegialen Fallberatung, den Mehrwert, den sie bietet und wie Führungskräfte diese Methode in ihrer Arbeit oder im KollegInnenkreis nutzen und integrieren können.
Was ist kollegiale Fallberatung?
Kollegiale Fallberatung ist eine Methode, bei der KollegInnen sich gegenseitig in strukturierten Gesprächen bei der Lösung beruflicher Herausforderungen unterstützen. Im Zentrum steht der gemeinsame Austausch, der durch eine feste Struktur und definierte Rollen klar geregelt ist. Ziel ist es, durch die Vielfalt der Perspektiven neue Lösungsansätze zu entdecken und den beruflichen Alltag bewusster und effektiver zu gestalten.
So profitieren Führungskräfte von der Kollegialen Fallberatung
Durch die strukturierte Diskussion und Reflexion in der kollegialen Fallberatung lernen Führungskräfte, ihre eigenen Handlungen und Entscheidungen kritisch zu hinterfragen und daraus zu lernen. Dies führt zu einer erhöhten Selbstwahrnehmung und einem besseren Verständnis für die eigenen Stärken und Schwächen.
„Eine Arbeitsumgebung, in der Kollegen sich gegenseitig inspirieren, ist der Schlüssel zu nachhaltigem Erfolg.“ (Simon Sinek)
Indem sie die Sichtweisen und Erfahrungen ihrer KollegInnen einbeziehen, erhalten sie neue und oft unkonventionelle Ideen, die sie in ihre Entscheidungsprozesse integrieren können. Dies führt zu innovativeren und umfassenderen Lösungsansätzen.
Wenn Führungskräfte sie mit ihrem Team durchführen, fördert sie den offenen Austausch und die Zusammenarbeit im Team. Führungskräfte können erkennen, wie sie die Stärken und Ressourcen ihrer Teammitglieder besser nutzen können, was zu einer stärkeren Teamdynamik und einer höheren Effektivität führt.
Rollen in der Kollegialen Beratung
Jede:r TeilnehmerIn übernimmt eine spezifische Rolle:
Der / die FallgeberIn ist die Person, die eine Beratung sucht. Sie stellt den Fall vor und formuiert die zentrale Frage, auf die eine Antwort gefunden werden soll..
Die Beratenden sind KollegInnen, die in Bezug auf die zentrale Lösungen entwickeln. Diese Personen sind nicht direkt in den Fall involviert, sollten jedoch das Thema nachvollziehen können.
Die Moderation erfolgt durch eine neutrale Person, die den Ablauf der Beratung steuert, darauf achtet, dass alle Schritte der Beratung verstanden und eingehalten werden. Der / die ModeratorIn stellt einen respektvollen Umgang. Bei Bedarf wird der Prozess mittels klärender Fragen oder Anmerkungen unterstützt.
Die Phasen der Kollegialen Fallberatung
Phase 1: Fälle sammeln (ca. 5-10 Minuten)
In dieser ersten Phase werden die Fälle gesammelt, die im Team besprochen werden sollen. Jede/r TeilnehmerIn kann Fälle vorschlagen, die für sie oder ihn aktuell relevant sind. Diese Sammlung dient dazu, einen Überblick über die Themen zu bekommen, die bearbeitet werden sollen. Es ist wichtig, dass die Fälle klar und prägnant formuliert werden, um eine effiziente Bearbeitung zu ermöglichen.
Phase 2: Fall erklären (ca. 10 – 15 Minuten)
Nachdem die Fälle gesammelt wurden, erklärt die FallgeberIn ihren Fall ausführlich. Dies beinhaltet eine detaillierte Schilderung des Problems oder der Herausforderung, mit der sie oder er konfrontiert ist. Wichtig ist, dass die FallgeberIn alle relevanten Informationen bereitstellt, damit die KollegInnen ein klares Bild von der Situation bekommen. Die BeraterInnen stellen in dieser Frage ausschließlich Verständnisfragen, um den Fall anschließend beraten zu können.
Phase 3: Zielfrage formulieren (ca. 5 Minuten)
Nach der Erklärung des Falls wird eine Zielfrage formuliert. Diese Frage sollte konkret und lösungsorientiert sein. Sie dient als Leitfaden für die nachfolgende Beratung und hilft den KollegInnen, sich auf die wesentlichen Aspekte des Falls zu konzentrieren.
Phase 4: Beraten (ca. 30 – 45 Minuten)
Während der Beratungsphase dreht sich der / die FallgeberIn um und hört nur zu. Findet die Kollegiale Fallberatung virtuell statt, sollte in dieser Phase Mikrofon und Kamera ausgeschaltet sein.
Die Beratungsphase selbst setzt sich aus zwei Teilen zusammen. Der erste Part ist die Hypothesenbildung, der zweite die Entwicklung von Lösungsideen. Die Trennung ist wichtig, um der Versuchung zu widerstehen, sofort Lösungen zu finden ohne dass der / die FallgeberIn versteht, auf welcher Grundlage sie geäußert wurden. Die Hypothesen beziehen sich auf den Fall und die formulierte Zielfrage.
Es ist wichtig, dass die Diskussion strukturiert und respektvoll verläuft. Die KollegInnen sollten offen für verschiedene Perspektiven sein und konstruktives Feedback geben. Dem /der ModeratorIn ist an dieser Stelle gefragt, den Austausch aktiv zu moderieren, die Hypothesen mitzuschreiben und eine zu frühe Lösungsfindung zu unterbinden. Ebenfalls ist es wichtig, dass die Lösungsfindung sich auf die Zielfrage bezieht. Es kann leicht passieren, dass im Eifer des Gefechts der Fokus verloren geht.
Phase 5: Reflexion des / der FallgeberIn (ca. 5 – 10 Minuten)
Zum Abschluss reflektiert der / die FallgeberIn die erhaltenen Rückmeldungen und diskutierten Lösungsansätze. Diese Reflexion hilft, die gewonnenen Erkenntnisse zu verarbeiten und einen klaren Handlungsplan zu entwickeln. Der / die FallgeberIn sollte überlegen, welche der vorgeschlagenen Lösungen sie oder er umsetzen möchte und wie die nächsten Schritte aussehen.
Praxisbeispiel Kollegiale Fallberatung im Führungskräftekreis
Nehmen wir an, eine Führungskraft in einem mittelständischen Unternehmen möchte die kollegiale Fallberatung im Führungskräftekreis integrieren. Sie plant zunächst monatliche Sitzungen ein und legt klare Strukturen und Kommunikationsregeln fest. In der ersten Sitzung bringt sie einen Fall ein, bei dem es um einen Mitarbeiter geht, der nicht zu den Leistungsträgern des Teams gehört, aber wiederholt mehr Gehalt fordert.
Nach der Erklärung des Falls und der Formulierung der Zielfrage („Welche Maßnahmen kann ich ergreifen, um die Gehaltsforderung eines gehaltlich korrekt eingestuften Mitarbeiters, der kein verzichtbarer Leistungsträger im Team ist, konstruktiv zu handhaben?“) bringen die KollegInnen verschiedene Ideen ein, wie die Durchführung eines Leistungsgesprächs, die Festlegung klarer Kriterien für Gehaltserhöhungen, das Angebot von Weiterbildungsmaßnahmen, um die Qualifikationen des Mitarbeiters zu verbessern, sowie die Transparenz bezüglich der Unternehmenspolitik zu Gehaltserhöhungen. Die Führungskraft reflektiert diese Vorschläge und entscheidet, mit einem Leistungsgespräch und der Erklärung der Gehaltsstruktur zu beginnen, sowie dem Mitarbeiter Weiterbildungsoptionen anzubieten, die zu einer zukünftigen Gehaltserhöhung führen können.
In den folgenden Sitzungen wird der Fortschritt besprochen und bei Bedarf nachjustiert.
„Wahre Zusammenarbeit bedeutet, dass Kollegen sich gegenseitig respektieren, ermutigen und unterstützen, um gemeinsam Großes zu erreichen.“ (Henry Ford)
Praxisbeispiel Kollegiale Fallberatung im Team
Ein Teamleiter in einem mittelständischen Unternehmen möchte die kollegiale Fallberatung in sein Team integrieren. Er plant zunächst monatliche Sitzungen ein und legt klare Strukturen und Kommunikationsregeln fest. In der ersten Sitzung bringt er einen Fall ein, bei dem es um die Optimierung interner Kommunikationsprozesse geht.
Nach der Erklärung des Falls und der Formulierung der Zielfrage („Wie können wir die interne Kommunikation effizienter gestalten?“) bringen die KollegInnen verschiedene Ideen ein, wie die Einführung eines wöchentlichen Newsletters, die Nutzung eines Team-Chats und regelmäßige Stand-up-Meetings. Der Teamleiter reflektiert diese Vorschläge und entscheidet, den Team-Chat und die Stand-up-Meetings zu testen. In den folgenden Sitzungen wird der Fortschritt besprochen und bei Bedarf nachjustiert.
Fazit
Die kollegiale Fallberatung bietet Führungskräften einen enormen Mehrwert, indem sie die Reflexionsfähigkeit fördert, Perspektiven erweitert, die Teamzusammenarbeit stärkt und Unterstützung in schwierigen Situationen bietet. Durch die Integration dieser Methode in den Arbeitsalltag können Führungskräfte und ihre Teams kontinuierlich wachsen und sich weiterentwickeln.
Die regelmäßige Anwendung der kollegialen Fallberatung trägt dazu bei, dass Herausforderungen effizienter gemeistert und innovative Lösungen gefunden werden, was letztlich zu einem produktiveren und harmonischeren Arbeitsumfeld führt.
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