Alt oder neu – welcher Führungsstil wirkt?

Blogartikel "Alt oder neu – welcher Führungsstil wirkt wirklich?"

Es ist ein Irrtum zu glauben, dass es den einen richtigen Führungsstil im Meer der Führungsstile gibt. Wer Menschen führt, wirkt – bewusst oder unbewusst. Denn Führung ist mehr als ein Werkzeugkasten. Sie ist Ausdruck der inneren Haltung – und das gilt heute mehr denn je.

Führungsstile wirken nicht isoliert, sondern immer im Zusammenspiel mit Persönlichkeit, Organisationskultur und dem jeweiligen Kontext.

Dieser Artikel beleuchtet den Unterschied zwischen tradierten und modernen Führungsstilen – mit besonderem Fokus auf den authentischen Führungsstil. Er zeigt, wie Führung kontextabhängig wirkt, warum Deine Werte eine zentrale Rolle spielen – und wie Du einen Führungsstil findest, der zu Dir passt und wirkt.

Klassische Führungsstile: Kontrolle, Struktur und Macht

Die sogenannten traditionellen Führungsstile sind eng mit Max Weber verbunden. In seinem soziologischen Werk identifizierte er u. a. folgende Formen:

Autokratischer Führungsstil

Entscheidungen werden ausschließlich von der Führungskraft getroffen. Mitarbeitende haben keine Mitsprache.

Patriarchalischer Stil

Die Führungskraft tritt als „väterliche Figur“ auf, trifft Entscheidungen im Sinne der Mitarbeitenden – aber immer autoritär.

Bürokratischer Führungsstil

Regeln, Vorschriften und Prozesse dominieren. Persönliche Entscheidungen treten in den Hintergrund.

Charismatischer Führungsstil

Die Führungskraft begeistert durch Persönlichkeit und Vision, weniger durch Struktur oder Einbindung.

Diese Modelle funktionierten in Zeiten von Massenproduktion, Fließbandarbeit und militärischer Organisation. Und: Manche tun das heute noch – z. B. bei der Feuerwehr, im Operationssaal oder in militärischen Kontexten. Dort, wo Schnelligkeit und Präzision über Leben und Tod entscheiden, sind klare Anweisungen wichtiger als Mitbestimmung.

Doch in der heutigen Wissensgesellschaft treten die Schwächen traditioneller Führungsstile deutlich zutage.

Wenn Mitarbeitende nicht in Entscheidungen eingebunden werden, sinkt ihre Motivation – sie fühlen sich nicht gehört und verlieren zunehmend das Engagement für ihre Aufgaben. Auch die Innovationskraft leidet.

Kreative Lösungen entstehen nicht unter Druck, sondern in einem Umfeld des Vertrauens, in dem unterschiedliche Perspektiven willkommen sind.

Und schließlich führt mangelnde Wertschätzung häufig zu hoher Fluktuation – denn qualifizierte Fachkräfte verlassen Organisationen, in denen sie sich nicht gesehen oder eingebunden fühlen.

Moderne Führungsmodelle: Beziehung statt Befehl

Ab der Mitte des 20. Jahrhunderts rückten andere Aspekte in den Fokus. Ein Meilenstein war die Arbeit von Kurt Lewin. Er unterschied drei grundlegende Führungsstile, die bis heute in der Praxis relevant sind:

Autoritär

Die Führungskraft trifft alle Entscheidungen allein und gibt klare Anweisungen. Das kann kurzfristig effizient sein, führt aber oft zu Demotivation und mangelnder Eigenverantwortung im Team.

Partizipativ

Mitarbeitende werden aktiv in Entscheidungsprozesse eingebunden. Dieser Stil fördert Motivation, Vertrauen und Kreativität, kann aber in Krisensituationen zu langsam sein.

Delegierend

Die Führungskraft greift kaum ein und überlässt dem Team weitgehend die Verantwortung. Das funktioniert gut bei selbstorganisierten, erfahrenen Teams – kann aber auch zu Orientierungslosigkeit führen, wenn Strukturen fehlen.

Lewin zeigte: Es kommt nicht auf den „richtigen“ Stil an, sondern auf den passenden – abhängig von Situation, Reifegrad und Zielsetzung.

Noch einen Schritt weiter gehen die neueren, wissenschaftlich fundierten Führungsmodelle der letzten Jahrzehnte:

Transformationale Führung

Entwickelt von Bernard M. Bass setzt dieser Führungsstil auf Inspiration, Sinnstiftung und gemeinsame Visionen. Die Führungskraft agiert hier nicht als Kontrolleurin, sondern als Impulsgeberin für Entwicklung und Wandel.

Transaktionale Führung

Dieser Führungsstil hingegen basiert auf einem klassischen Belohnungs- und Kontrollprinzip. Erwartungen, Ziele und Leistungen werden klar kommuniziert – gute Ergebnisse werden belohnt, Abweichungen sanktioniert. Dieser Ansatz wirkt besonders effektiv in stabilen, klar strukturierten Organisationen, in denen Regeln, Standards und Leistungskennzahlen im Vordergrund stehen. Was er hingegen kaum fördert, ist emotionale Bindung, Kreativität oder unternehmerisches Denken.

Shared Leadership

Hierunter versteht Führung nicht mehr als Einzelverantwortung, sondern als geteilten Prozess. Teams übernehmen Verantwortung gemeinsam, Hierarchien werden flacher, Entscheidungen werden kollaborativ getroffen.

Emotionale Intelligenz in der Führung

Dies ist ein Konzept von Daniel Goleman und betont die Anpassung des Führungsstils an emotionale Kompetenzen – von visionär über coachend bis hin zu gefühlsorientiert. Ziel ist es, nicht nur zu steuern, sondern in Beziehung zu führen.

Was diese modernen Ansätze gemeinsam haben:

Sie stellen den Menschen – nicht nur die Aufgabe – in den Mittelpunkt. Mitarbeitende werden aktiv eingebunden, anstatt nur „angeleitet“ zu werden. Beziehungen, Sinn und Werte sind genauso relevant wie Ergebnisse. Führung wird situativ angepasst und ist kein starres Konzept mehr. Und vor allem: Sie findet auf Augenhöhe statt – nicht von oben herab.

Führungsstil ist Kontextsache – nicht Ideologie

Ein häufiger Fehler: Den „richtigen“ Stil universell anwenden zu wollen.

Ein Beispiel:
Der partizipative Führungsstil wirkt in agilen Projektteams oft hervorragend – aber in einer Notaufnahme oder bei einem Maschinenstillstand in der Produktion kann er kontraproduktiv sein.

Führung funktioniert niemals losgelöst vom Umfeld – sie ist immer kontextabhängig. In stabilen, stark reglementierten Branchen wie der Logistik, der industriellen Fertigung oder im militärischen Bereich haben strukturierte oder direktive Führungsstile häufig klare Vorteile. Hier zählen Effizienz, Sicherheit und das präzise Einhalten von Abläufen.

Anders sieht es in kreativen oder komplexen Arbeitsfeldern aus – etwa in der IT, im Bildungsbereich oder in NGOs. Dort sind Vertrauen, Mitgestaltung und eine hohe Flexibilität gefragt, um mit Unsicherheiten und wechselnden Anforderungen umgehen zu können.

In Phasen des Wandels – etwa bei Change-Prozessen oder in Innovationsprojekten – hat sich die transformationale Führung besonders bewährt. Sie verbindet visionäres Denken mit emotionaler Intelligenz und hilft dabei, Orientierung und Motivation in Zeiten der Veränderung zu geben.

Der wahre Schlüssel: Authentizität

Der Stil, der übergreifend funktioniert, ist kein Stil im klassischen Sinn – sondern eine Haltung: authentische Führung.

„Authentizität entsteht, wenn das, was Du sagst, tust und denkst im Einklang steht.“ (Brené Brown)

Ein authentischer Führungsstil zeichnet sich dadurch aus, dass er Klarheit mit echter Beziehungsgestaltung verbindet. Er basiert auf innerer Reflexion und dem bewussten Umgang mit den eigenen Werten, Emotionen und Mustern. Authentische Führung gelingt, wenn Kopf, Herz und Handeln in Einklang stehen – also rationale Entscheidungen, emotionale Intelligenz und wertebasiertes Verhalten zusammenspielen. Entscheidend ist dabei, dass der Stil zur eigenen Persönlichkeit passt – und nicht nur zur Kultur oder den Erwartungen des Systems.

Und hier kommt ein entscheidender Aspekt: Werte.

Wenn Werte und Stil nicht zusammenpassen

Vielleicht hast Du das schon erlebt: Du möchtest auf Augenhöhe führen, hast Freude an Teamprozessen, liebst es, andere zu befähigen – aber Du arbeitest in einer Organisation, in der Hierarchie, Kontrolle und Wettbewerb dominieren.

Das Ergebnis eines dauerhaft nicht passenden Führungsumfelds zeigt sich oft deutlich – und leider auch schmerzhaft. Zunächst entstehen innere Spannungen, wenn die eigenen Werte und das erlebte Führungshandeln nicht übereinstimmen. Trotz fachlicher Kompetenz kann es zu einem Leistungsabfall kommen, weil die Motivation schwindet oder die eigene Energie in innere Konflikte fließt. Nicht selten folgen Frustration, Demotivation und – im schlimmsten Fall – gesundheitliche Probleme wie Erschöpfung oder Stresssymptome.

Deshalb ist eine zentrale Frage in jeder Karriere: Passt mein natürlicher Führungsstil zu den Werten und zur Kultur meiner Organisation?

Denn: Führung ist kein Rollenspiel. Du kannst nicht dauerhaft gegen Deine Werte führen und gleichzeitig inspirierend wirken.

Drei Schritte zu Deinem wirkungsvollen Führungsstil
  1. Werte klären – Frage Dich:
    • Was ist mir in der Zusammenarbeit wirklich wichtig?
    • Wo bin ich kompromissbereit – und wo nicht?
    • Hilfreich ist z. B. die Wertepyramide oder diese Übung zur Wertearbeit
  1. Kontext analysieren – Reflektiere:
    • Welche Führungskultur herrscht bei uns vor?
    • Was wird belohnt – Kontrolle oder Kooperation?
    • Welche Spielräume habe ich?
  2. Stil entwickeln statt kopieren – Ein guter Führungsstil ist kein Abziehbild, sondern ein individueller Mix. Er wächst mit Deiner Erfahrung und Deiner inneren Klarheit – zum Beispiel durch Tools wie Meditation, Reflexion und Coaching. Mehr dazu in meinem Audiokurs „Power of Silence“ für Führungskräfte.
Fazit

Führungsstile kommen und gehen. Was bleibt, ist die Wirkung.
Ob Du autoritär oder transformativ führst, ob visionär oder coachend – entscheidend ist, dass Du es bewusst tust. Dass Dein Stil zu Dir passt. Und dass Du ihn reflektierst, wenn er nicht (mehr) wirkt.

Denn wie Simon Sinek sagt:

„Leadership is not about being in charge. It is about taking care of those in your charge.“

Passend zu diesem Artikel: Vom Teammitglied zur Führungskraft – Dein Führungsstil; Authentisch Führen – Diese Fragen unterstützen Dich dabei; 5 Tipps für mehr Authentizität in Deinem Führungsalltag

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