Veränderungen sind in der heutigen Geschäftswelt unvermeidlich. Unternehmen müssen sich ständig anpassen, um wettbewerbsfähig zu bleiben. Doch der Wandel bringt auch Herausforderungen mit sich, da Mitarbeiter:innen unterschiedlich auf Veränderungen reagieren. Veränderungen begleiten uns nicht nur beruflich, sondern durch alle Lebensphasen und Lebensbereiche.
Elisabeth Kübler-Ross: Eine Pionierin der Sterbeforschung
Elisabeth Kübler-Ross (1926-2004), eine renommierte schweizerisch-US-amerikanische Psychiaterin und Pionierin auf dem Gebiet der Sterbeforschung, beschäftigte sich intensiv mit den Themen Tod, Sterben und Trauer. Ihr wegweisendes Werk “On Death and Dying” aus dem Jahr 1969 legte den Grundstein für das Verständnis von Veränderungen und emotionalen Reaktionen darauf.
Das von ihr beschriebene Modell hat nicht nur in der Sterbeforschung, sondern auch in anderen Bereichen der Psychologie, der Organisationsentwicklung und vor allem dem Change Management Anwendung gefunden. Bei organisatorischen Veränderungen, sei es durch Umstrukturierungen oder technologische Neuerungen, erleben Menschen ähnliche Emotionen wie bei persönlichen Verlusten. Das Verständnis der Veränderungskurve ermöglicht es Führungskräften und Teams, die emotionalen Bedürfnisse der Betroffenen besser zu verstehen und angemessen darauf zu reagieren.
In diesem Artikel werden die sieben Phasen der Veränderungskurve – Schock, Verneinung, Einsicht, Akzeptanz, Ausprobieren, Erkenntnis und Integration – näher beleuchtet.
Entstehung des Modells
Das Modell von Elisabeth Kübler-Ross basiert auf ihrer langjährigen Arbeit mit schwerkranken Menschen und deren Angehörigen. Durch intensive Interviews entwickelte sie ein Verständnis für die emotionalen Phasen, die Menschen während eines gravierenden Verlusts durchleben. Das Modell identifiziert fünf Hauptstadien: die Verleugnung, den Zorn, das Verhandeln, die Depression und die Akzeptanz.
Im Change Management wurde das Modell von Elisabeth Kübler-Ross adaptiert und auf persönliche und organisationale Veränderungen hin angepasst.
“Nichts ist so beständig wie der Wandel.”
(Heraklit)
Veränderungen gehören also zu unserem Leben dazu. Mit dem Modell der Veränderungskurve wird nicht nur die Veränderung an sich greifbarer, sondern auch unser Denken, Fühlen und Handeln in den jeweiligen Phasen bewusster. Auch wenn das Modell nach Elisabeth Kübler-Ross genau fünf Phase beschreibt, wird es im Change Management flexibler gehandhabt. So gibt es Beschreibungen mit vier, fünf, sieben oder sogar acht Phasen.
Veränderungen verstehen mithilfe des Sieben-Phasen-Modells
Als langjährige Change Management Expertin favorisiere ich das 7-Phasen-Modell. Recht detailliert wird beschrieben, wie eine Veränderung verläuft. Ich ergänze für die jeweilige Phase ein konkretes Beispiel und unterbreite Führungskräften Tipps für den Umgang mit Mitarbeiter:innen, die in sich in dieser Phase befinden.
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Vorahnung
Die Vorahnungsphase markiert den Beginn des Veränderungsprozesses. In dieser Phase spüren Menschen oft, dass Veränderungen im Anmarsch sind, auch wenn sie noch nicht genau wissen, was auf sie zukommt. Der Raum für Spekulationen ist offen und die Gerüchteküche brodelt.
Beispiel: Ein Unternehmen kündigt eine Restrukturierung an.
Tipps für Führungskräfte:
- Teile Informationen frühzeitig und transparent.
- Lasse Mitarbeiter:innen ihre Bedenken und Fragen äußern.
- Höre aktiv zu und gehe auf die Äußerungen Deiner Mitarbeiter:innen mit Verständnis ein, ohne zu bewerten, abzuwiegeln oder zu bestätigen.
- Halte diese Phase so kurz wie möglich.
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Schock
Die Schockphase tritt ein, wenn die Veränderung offiziell angekündigt wird. Menschen können sich überwältigt, unsicher und ängstlich fühlen. In dieser Phase kann es aufgrund der Schockzustände zu produktiven Einbrüchen kommen.
Beispiel: Die Mitarbeiter:innen erfahren von Entlassungen im Zuge der Restrukturierung.
Tipps für Führungskräfte:
- Führungskräfte sollten Verständnis für die Gefühle der Mitarbeiter zeigen und ihnen vor allem Zeit zur Verarbeitung geben. (Eine ausgeprägte Emotionale Intelligenz ist hier von Vorteil. Möchtest Du für Dich herausfinden, wie stark Deine persönliche Emotionale Intelligenz ausgeprägt ist, melde Dich gerne bei mir (HIER). Mittels der EI4-Analyse finden wir das gemeinsam heraus.)
- Deutliche Erklärungen zu den Gründen der Veränderung sind in dieser Phase essentiell, um Widerstände nicht zu verstärken (Case of Urgency)
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Verneinung
Während der Verleugnungsphase weigern sich Menschen oft, die Realität der Veränderung anzuerkennen. Sie reagieren zum Teil wütend, es kann vermehrt zu Konflikten im Team kommen. Viele hoffen auch auf ein Wunder und machen weiter wie bisher.
Beispiel: Ein Mitarbeiter glaubt, dass die Restrukturierung ihn nicht betreffen wird.
Tipps für Führungskräfte:
- Versuche Geduld aufzubringen. Veränderungen brauchen Zeit zur Akzeptanz.
- Führe Einzelgespräche. Diese können helfen, Bedenken zu adressieren.
- Aber auch Raum zu geben für Einwände und Diskussionen im Team sind in diesen Momenten wichtig.
- Das Wissen über die verschiedenen Widerstandsarten in Veränderungsprozessen ist hier von Vorteil.
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Rationale Einsicht
In dieser Phase beginnen die Menschen, die Notwendigkeit der Veränderung intellektuell zu verstehen. Sie können in einem Moment verständnisvoll wirken und im anderen emotional noch heftig reagieren. Das Alte ist noch nicht vergangen, das Neue noch nicht greifbar. Diese Phase ist die mit der größten Gefahr, gute Mitarbeiter:innen zu verlieren.
Beispiel: Mitarbeiter:innen erkennen, dass die Restrukturierung notwendig ist, um die Wettbewerbsfähigkeit des Unternehmens zu erhalten.
Tipps für Führungskräfte:
- Es kann helfen, die Vision und die langfristigen Ziele der Veränderung verständlich aufzuzeigen. (Wie Du adäquat kommunizieren kannst, habe ich in diesen Artikeln beschrieben – HIER, HIER und HIER.)
- Du kannst in dieser Phase auch Schulungen anbieten, um Mitarbeiter:innen auf die neuen Anforderungen vorzubereiten.
- Wichtig ist in dieser Phase Verlässlichkeit – in Deinen Erwartungen, in dem, was Du als Führungskraft vorlebst, aber auch in den Strukturen und Prozessen.
- Wie wäre es mit einem Teamworkshop, um das Alte zu beenden und das Neue zu begrüßen?
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Emotionale Akzeptanz (Tal der Tränen)
Während der emotionalen Akzeptanzphase beginnen die Menschen, ihre Gefühle in Bezug auf die Veränderung zu akzeptieren und zu verarbeiten. Das ist wichtig, denn erst dann ist Raum für Neues.
Beispiel: Mitarbeiter:innen akzeptieren, dass die Restrukturierung notwendig ist, aber fühlen immer noch Unsicherheit.
Tipps für Führungskräfte:
- Unterstützung durch Coaching und Mentoring kann helfen, emotionale Herausforderungen zu bewältigen.
- Gemeinsame Aktivitäten können den Teamgeist stärken.
- Wichtig ist, Verluste anzusprechen, aber auch auf neue Chancen zu thematisieren (es braucht die Balance von Beidem).
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Ausprobieren
Die Phase des Ausprobierens ist geprägt von Experimentieren und der Suche nach neuen Wegen. Mitarbeiter:innen beginnen, sich mit der Veränderung zu identifizieren, werden kreativ, entdecken neue Lösungen und Verbesserungsvorschläge und trauen sich, diese Ideen und Gedanken zu äußern.
Beispiel: Mitarbeiter:innen setzen erste Schritte in den veränderten Arbeitsabläufen um.
Tipps für Führungskräfte:
- Lobe erste Fortschritte und quick wins.
- Bleibe offen für Anpassungen basierend auf dem Feedback der Mitarbeiter:innen und fördere aktiv eine Fehlerkultur in der die Menschen sich trauen, Fehler einzugestehen, um zukünftig dieselben zu vermeiden.
- Nun ist der Zeitpunkt für Teambuildingprozesse.
- Start für Definition neuer Ziele, Leitbilder u.ä..
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Integration
In der Integrationsphase haben die Menschen die Veränderung akzeptiert und in ihre täglichen Routinen integriert. Es kehrt Alltag ein. Die Produktivität steigt wieder und das Team ist mehr „Wir“ als „Ich“.
Beispiel: Die Mitarbeiter:innen sind effektiv in den neuen Arbeitsstrukturen angekommen.
Tipps für Führungskräfte:
- Feiert gemeinsam Erfolge. So erkennst Du die Anstrengungen und Fortschritte des Teams an.
- Bleibe im Dialog, um weitere Verbesserungen zu fördern.
- Es ist Zeit für Reflexion und Lessons Learned hinsichtlich des durchlaufenen Veränderungsprozesses.
Ist das betreffende Unternehmen groß genug, werden im Rahmen von Veränderungsprozessen oftmals sogenannte „Change Agents” etabliert, die die Veränderung begleiten und unterstützen. Für den Fall, dass keine Mitarbeiter:innen zu Change Agents ausgebildet werden können, bietet es sich an, externe Unterstützung durch Change Management Experten, Organisationsentwickler:innen oder Coaches zur Unterstützung heranzuziehen, die den Veränderungsprozess optimal aus einer neutralen Haltung heraus begleiten.
Wissenschaftliche Hintergründe
Die Veränderungskurve, auch als Transition Curve oder Change Curve bekannt, basiert auf psychologischen Theorien, insbesondere auf dem Modell der Verlust- und Trauerarbeit von Elisabeth Kübler-Ross wie eingangs beschrieben.
Die wissenschaftlichen Grundlagen des Modells können jedoch in weiteren psychologischen Konzepten gefunden werden (beispielhaft):
Kübler-Ross-Modell der Trauerbewältigung
Elisabeth Kübler-Ross entwickelte ihr Modell der Trauerbewältigung in den 1960er Jahren, indem sie Phasen beschrieb, die Menschen durchlaufen, wenn sie mit dem eigenen nahenden Tod konfrontiert werden. Die Phasen sind: Verleugnung, Zorn, Verhandeln, Depression und Akzeptanz.
Transitionspsychologie
Die Veränderungskurve wird auch durch die Transitionspsychologie beeinflusst, die den Fokus auf die psychologischen Prozesse legt, die Menschen während wichtiger Lebensübergänge durchlaufen. Die Theorie von William Bridges, einem Schüler von Kübler-Ross, integriert die Idee der emotionalen Phasen in organisatorische Veränderungen.
Sozialpsychologie
Sozialpsychologische Konzepte wie die Theorie des sozialen Einflusses und der Gruppendynamik spielen ebenfalls eine Rolle. Die Reaktionen auf Veränderungen werden oft durch soziale Normen, Gruppenidentität und zwischenmenschliche Beziehungen beeinflusst.
Adaptation-Level-Theorie
Die Adaptation-Level-Theorie besagt, dass Menschen dazu neigen, sich an neue Umstände anzupassen, aber diese Anpassung ist begrenzt und kann zu einem neuen Normalzustand führen. Dieses Konzept spiegelt sich in der Veränderungskurve wider, wenn Menschen von der Verneinung bis zur Integration fortschreiten.
Führungskräfte als Vorreiter: Die Veränderungskurve erleben und empathisch leiten
Mache Dir bewusst, dass Du als Führungskraft denselben Prozess wie Deine Mitarbeiter:innen durchläufst in der Regel nur früher. Damit bist Du zum einen Vorbild und zum anderen bekommst Du ein Gefühl dafür, was Deine Mitarbeiter:innen in den jeweiligen Phasen beschäftigt. Und vergiss dabei nicht: Nicht alle im Team sind immer in derselben Phase der Veränderung unterwegs. Manche durchlaufen den Prozess langsamer, andere schneller. Das eine ist nicht schlechter als das andere.
Es ist wichtig anzumerken, dass die Veränderungskurve als Modell zwar nützlich ist, aber nicht jeder Mensch durchläuft zwangsläufig alle Phasen in der gleichen Reihenfolge. Die Reaktionen auf Veränderungen können individuell variieren, und manche Menschen können Phasen überspringen oder in ihnen verweilen. Dennoch bietet die Veränderungskurve einen Rahmen, um die psychologischen Aspekte von Veränderungen besser zu verstehen und effektives Change Management zu fördern.
Fazit
Die Veränderungskurve bildet einen dynamischen Prozess ab, der die verschiedenen Reaktionen der Mitarbeiter:innen auf Veränderungen berücksichtigt. Durch eine empathische Führung, klare Kommunikation und gezielte Unterstützungsmaßnahmen können Organisationen und Einzelpersonen den Prozess effektiv durchlaufen, Führungskräfte Akzeptanz in der Belegschaft fördern, Wandel effektiver gestalten und gestärkt aus Veränderungen hervorgehen.
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